Solch ein spontanes Konzert gibt es wohl nicht oft: die Violinistin Ronja Sophie Putz ist mit dem Fahrrad auf dem Elberadweg unterwegs und rief heute Nachmittag Pfarrer Johannes Beyer an, ob sie in der Kirche ein Konzert spielen könne. Ja, selbstverständlich, aber woher die Besucher nehmen? Kurzerhand schrieb Johannes Beyer eine Nachricht an alle seine Kontakte, postete etwas bei Facebook. Das war kurz vor vier und am Abend um sechs kamen tatsächlich Konzertbesucher in die St.-Jakobi-Kirche. Das muss man erst mal schaffen!
"Als ich mich auf den Weg machte, wollte ich neues erfahren", berichtete die junge Geigerin, "ich wollte unterwegs Musik machen, aber nicht einfach Straßenmusik, ich wollte versuchen, richtige Konzerte zu geben. Konzerte unterwegs zu geben, ist eine ganz alte, längst vergessene Tradition von Musikern, ich wollte das mal probieren". Gestern machte sie in Breitenhagen Station, da hatte das nicht so richtig geklappt. "Ich klingelte einfach an einer Haustür, fragte nach einem Glas Wasser, wurde auch freundlich empfangen, aber als ich fragte, ob sie vielleicht ein kleines Konzert hören wollten, da hieß es dann, 'Was, Musik? Da sind Sie hier falsch. Vielleicht ein Stück weiter elbabwärts", erzählte sie freundlich über dieses Erfahrung lächelnd. (Das soll jetzt nicht heißen, die Breitenhagener wären unmusikalisch. Wahrscheinlich hat sie nur an der falschen Tür geklopft.)
Johannes Beyer berichtet noch, dass die Musikerin mit einem Fahrrad voll Gepäck bei ihm ankam, Zelt, Schlafsack, Gepäck, den Geigenkoffer auf dem Rücken – und vorn auf dem Rad der Kindersitz für ihre Tochter Tosca. Die ist selbstverständlich mit auf der Reise, und auch im Konzert durfte sie gleich in der ersten Reihe sitzen. "Und der Geige macht das nichts aus, im Zelt zu liegen oder auf dem Rad unterwegs?", fragte Johannes Beyer. "Nö", lautete die knappe Antwort. Und dann begann auch gleich die Musik.
Zu Beginn gab es die Partita Nr. 3 von Johann Sebastian Bach. Ein virtuoses, sechssätziges Werk, an dessen Anfang kräftig gestrichene Violintöne die Kirche füllten, durch den Hall des weiten Kirchenschiffes noch verstärkt. Ach was war das schön, nach so langer Konzertabstinenz endlich wieder ein klassisches Konzert zu hören!
Anschließend ein Sprung in die Moderne, eine mit gesungener Stimme verbundene Eigenkomposition, in der Ronja Sophie Putz Eindrücke eines Aufenthalts in Kroatien verarbeitete. "Ich wollte mir die Abendstimmung, das Licht über dem Meer und den Bergen" aufbewahren und das kann ich am besten in Musik. Dazu noch eine Komposition eines Freundes aus Münchener Studientagen, des jungen Komponisten Maximilian Zimmermann, gleichfalls eine musikalische Landschaftsbeschreibung, mit dem Titel "Ein-Tönig". "Seine Eindrücke, die ihn zu seiner Musik inspiriert haben und die er mit 'Warm und Dunkelblau' beschrieb, stammen gleichfalls aus Kroation. Auch dies erinnert mich an die kroatische Landschaft", erklärte die Geigerin. Lange gleichmäßige Passagen wechselten mit wildem Tempo, Musik voller Dynamik.
Später ging es mit einem Stück von Francesco Geminiani nochmal zurück zur Barockmusik, bevor es wieder moderner wurde: Musik des zeitgenössischen armenischen Komponisten Arsen Babajanyan erklang. Am Ende dann ein Lied des Spaniers Manuel de Falla. Musik, die überhaupt nicht dem gängigen Klischee spanischer Musik entspricht. Auch dieses Stück wurde wieder von der Geigerin gesungen, zu ihrer eigenen Violinen-Begleitung.
Geige und Gesang in einer Person, das ist doch sicher nicht nur ungewöhnlich, sondern auch sehr schwierig, fragte ich Ronja Sophie Putz nach dem Konzert. "Ja, das ist so", bestätigte sie. "Ich habe schon immer gern gesungen und gern Geige gespielt – und wusste, es geht nur das Eine oder das Andere". Und setzt hinzu, "aber nur weil ich es nicht kann, heißt das noch nicht, dass es nicht doch geht. Ich muss es nur üben". Wie im Konzert zu hören war: Es geht eben doch! "Die Musik, die so entsteht, ist viel fragiler, viel intimer", sagte sie noch.
Wer die Geigerin auf ihrem Weg Richtung Hamburg (online) begleiten möchte, der kann dies auf ihrer Facebookseite tun: facebook.com/ronjasophieputzvioline. Dort erfährt man auch, wann und wo sie sonst zu hören ist, denn "Ich bin ja sonst auch in Konzerten zu hören, die länger als zwei Stunden vorher angekündigt werden", wie sie dem Publikum sagte.
Begrüßung durch Pfarrer Johannes Beyer |
Publikum auf Abstand, coronabedingt. Immerhin durften nach Einnahme der Sitzplätze die Masken abgenommen werden. |
Violine Solo vor dem Altar von St. Jakobi |
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