Sonntag, 28. Juni 2015

Sinfonieorchester Magdeburger Musikfreunde

Heute spielte in der Schönebecker St.-Jakobi-Kirche das Sinfonieorchester Magdeburger Musikfreunde, unter seinem Dirigenten Gero Wiest.


Das Konzert des Sinfonieorchesters Magdeburger Musikfreunde in der Schönebecker St.-Jakobi-Kirche begann mit dem As-Dur-Trompetenkonzert von Alexander Arutjunjan. Durchaus schwungvoll verband der armenische Komponist in seinem im Jahr 1950 geschriebenen Stück musikalische Einflüsse aus seiner Heimat mit moderner westeuropäischer Musik. Dadurch kamen auch jazzige Töne in das Programm des sonst eher klassischen Sinfoniekonzertes. Jens Kubbutat an der Trompete setzte die virtuosen Trompetensätze brilliant um.

Der zweite und wesentlich längere Teil des Konzertes gehörte dem österreichischen Komponisten Hans Rott. Mitte des 19. Jahrhunderts geboren und schon im Alter von 26 Jahren in einer Irrenanstalt verstorben, geriet der Komponist für lange Zeit in Vergessenheit. Unter seinen Zeitgenossen in Wien war er dagegen sehr bekannt. Gustav Mahler, sein Mitstudent am Wiener Konservatorium, schrieb über ihn „er ist der Begründer der neuen Sinfonie“ und verwendete später seine Motive weiter.

Die erste und einzige Sinfonie von Hans Rott, vom Orchester lebendig umgesetzt, war eine sehr interessante musikalische Erfahrung. Der kräftige Mittelteil war wie auf den heißen Sonntag zurechtgeschnitten. Man konnte sich in der bedrohlichen Stimmung der Musik gut dunkel aufziehende Gewitterwolken vorstellen. Im abschließenden Finale herrschte eine für die Zeit revolutionäre Bassführung vor, über den dunklen düsteren Tönen trat mit klagenden Tönen die Klarinette hervor. Das Werk endete mit einem gravitätischen Finale und lauten Fanfarentönen. Die Musik des früh verstorbenen Komponisten muss zu seinen Lebzeiten neu und aufregend gewesen sein.

Diese Zeit zwischen Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war in der Wiener Musikszene voller Spannung und neuer Ideen. Zur Tragik von Hans Rott gehörte, dass er zwischen die unterschiedlichen Auffassungen zweier großer Komponisten geriet. Er war der Lieblingsschüler Anton Bruckners, der viel von ihm hielt. Johannes Brahms dagegen verhinderte die Aufführung seiner Sinfonie, was bei Hans Rott zu Verfolgungswahn führte. Die Bedeutung des Komponisten wurde erst in den letzten Jahren erkannt. Dazu beigetragen hat auch die Arbeit der Wiener Hans-Rott-Gesellschaft. Zwei Vertreter kamen extra zur Aufführung der E-Dur-Sinfonie nach Schönebeck. Der Wiener Klaus-Dieter Schramm zeigte sich begeistert von der Musik seines Landsmannes und erwies sich als fachkundiger Erklärer. Für das Magdeburger Sinfonieorchester freute er sich, dass es das Werk von Hans Rott noch vor dem Engländer Simon Rattle aufführte: „Magdeburg ist jetzt die Hans-Rott-Hauptstadt“. Noch viel weiter gereist war Tatsuro Ouchi. Der Computer-Ingenieur aus Tokio verpasst keine Gelegenheit, sich die relativ seltenen Aufführungen rund um die Welt live anzuhören.

Im Sinfonieorchester Magdeburger Musikfreunde haben sich musikalische Laien aus dem Raum Magdeburg zusammengefunden, einige auch aus Schönebeck. Ihr Repertoire stellen sie bewusst so zusammen, dass darunter auch selten gespielte Stücke sind. Dirigent Gero Wiest sagte dazu: „es ist oft schwieriger, Stücke zu spielen, die jeder kennt“. Das hat nicht nur etwas mit dem Vergleich zu bekannten großen Einspielungen zu tun; eine Rolle spielt auch das Interesse für neue (Wieder-)Entdeckungen. „Interessanterweise kam der Vorschlag des Werkes aus den Kreisen der Musiker“, sagte er, auch wenn er „zunächst Bedenken wegen des sehr hohen technischen Anspruchs“ hatte. Das Schönebecker Konzertpublikum hatte erkennbar Freude an dem Programm.

Von der Hans-Rott-Gesellschaft nach Schönebeck
gekommen: Klaus-Dieter Schramm (stehend)
und links von ihm: Tatsuro Ouchi 
Gero Wiest  leitet das Sinfonieorchester Magdeburger
Musikfreunde. An der Trompete: Jens Kubbutat

Samstag, 13. Juni 2015

Orgelwanderung mit Wieland Meinhold

Eine Orgelführung der besonderen Art:
Am Sonnabendnachmittag führte der Weimarer Universitätsorganist Dr. Wieland Meinhold in einer Orgelwanderung durch die drei großen Kirchen Schönebecks, durch St. Johannis, St. Marien und St. Jakobi.

Wieland Meinhold am Spieltisch der Rühlmann-Orgel
der St.-Johannis-Kirche in Bad Salzelmen. "Ich setze
mich mal so auf die Orgelbank", sagte der Organist",
gestellte Fotos mit den Händen an den Tasten und
dem Blick zur Kamera gibt es doch schon zur Genüge".

Die Aussicht auf einen unmittelbaren Vergleich der drei Schönebecker Orgeln ließ zahlreiche Schönebecker die Hitze des Sommertages mit der wohltuenden Kühle der St.-Johannis-Kirche in Bad Salzelmen tauschen, der ersten Station der Orgelwanderung. Wieland Meinhold führte in den jeweiligen Kirchen die Zuhörer selbst in das von ihm zusammengestellte Programm ein. Auf der 1914 gebauten Rühlmann-Orgel der Bad Salzelmener St.-Johannis-Kirche erklang Orgelmusik aus Skandinavien, auf der 1986 gebauten Nußbrücker-Orgel der St.-Marien-Kirche barocke Orgelmusik aus Italien und auf der Rühlmann-Orgel der St.-Johannis-Kirche aus dem Jahr 1907 dann Musik aus Frankreich. Mit dieser Auswahl berücksichtigte Wieland Meinhold die Eigenschaften der Orgeln. "Jede Orgel hat ihre Seele, ihren eigenen Charakter", sagte er und fügte hinzu, "deshalb spiele ich die romantische Musik auf den weich klingenden romantischen Rühlmann-Orgeln, während auf der modernen Orgel der Marienkirche mit ihrer silbrigen Stimmung am besten die reich verzierte Barockmusik klingt".

In der St.-Johannis-Kirche fügte Meinhold nach einigen Kirchenchorälen dänischer Orgelkomponisten des 19. und  20. Jahrhunderts eine eigene Komposition ein, die sich deutlich vom vorhergehenden romatischen Klang unterschied. In seinen "4-Orgel-Farben-Wege" legte er über Borduntöne im Hintergrund, für die er Tasten mit Holzklötzchen blockierte, ein wildes Klangspektrum, angeregt durch die im Programm auch genannten Farbeindrücke. Laute und wuchtige Klänge erfüllten die Kirche, begleitet von filigranen Soprantönen. Ein interessanter Exkurs moderner Orgelmusik in einem sonst klassischen Programm. Im abschließenden Es-Dur-Vorspiel von Sibelius nutzte Meinhold das sogenannte Schwellwerk der Orgel, einen mit Jalousiebrettern verschließbaren Teil. Durch Öffnen und Schließen der Jalousie variierte er die Lautstärke, was den Raumeindruck erhöhte. Von den Zuhörern konnte das dann wie eine sich nähernde und wieder entfernende Klangquelle wahrgenomen werden.

Die Stimmung der modernen Orgel der Marienkirche erwies sich als sehr viel klarer und deutlicher. So erzeugten Wieland Meinhold in der Bachschen Bearbeitung des G-Dur-Konzertes von Vivaldi auf den Orgelpfeifen perlende Töne, die beinahe wie ein Glockenspiel klangen, sphärische Töne, die dann in einem kraftvollen Finale endeten. In die Klangfülle des Adagios von Albinoni mischten sich dieGlocken der Marienkirche, die zum Abend-Gottesdienst riefen. Ein sehr stimmungsvoller Ausklang, auch wenn das nicht geplant war. "Nein, das hatte ich nicht von vornherein eingeplant", sagte Meinhold, "aber zu dem kräftigen Orgelstück passte es".

Zum Abschluss dann wieder eine Rühlmann-Orgel, was einen interessanten Vergleich ermöglichte. Wenn auch vom selben Orgelbaumeister geschaffen, klangen beide Orgeln unterschiedlich. Es lag wohl vor allem an der anderen Raumakustik, dass die Orgel der Jakobikirche etwas deutlicheren Klang hat. Auch hier spielte Wieland Meinhold eine eigene Komposition. Die "Hommage à Sebastien" variierte unverkennbar Motive von Bach und nutzte eine Orgelmesse als Hintergrund von fröhlicheren Melodien. Nach mal schweren und kräftigen, mal leichten französischen Orgelklängen schloss das Programm mit einem Stück, das Meinhold in seiner Einführung zu Recht als "Zirkusmusik" bezeichnete. Tatsächlich war es vor etwa 150 Jahren durchaus üblich, auf Orgeln auch Unterhaltungsmusik zu spielen oder auf Jahrmärkten auf transportablen Orgeln und Orchestrions Musik zu machen.

Wenn die Orgelkonzerte schon in Kirchen unterschiedlicher Konfessionen (ind den evangelischen Kirchen St. Johannis und St. Jakobi und in der katholischen Kirche St. Marien) stattfanden, so setzte Wieland Meinhold auch in seinen Zugaben auf die verbindende Wirkung der Musik. In St. Johannis spielte er ein katholisches Marienlied, während er in St. Marien "Geh aus mein Herz und suche Freud" von Paul Gerhardt spielte. Am Zugabe des dritten Konzertes gab es dann den Abendsegen aus "Hänsel und Gretel" – beinahe hätte man die 14 Engel von der Orgelempore herab singen hören können.

Zum Schluss blieb noch eine Frage: "Kannten Sie die Orgeln vorher schon?". Dazu sagte Wieland Meinhold: "In St. Marien hatte ich tatsächlich schon mal ein Konzert. Und in St. Jakobi kam ich vor etwa 10 Jahren zufällig mal vorbei, als Beate Besser grad spielte. Da hatte ich mich dann natürlich auch selbst an die Orgel gesetzt." Und in Bad Salzelmen? "Da reichte mir als Vorbereitung die Information, dass dort eine Rühlmannorgel steht, da weiß man so ungefähr, was man sich dort vorstellen muss". 

Zur Orgelwanderung nahmen viele der Teilnehmer die Einladung zu wandern tatsächlich an und gingen zu Fuß, andere nahmen das Fahrrad. Die erste Strecke war dann auch nicht so sehr weit, es reichte etwa eine Viertelstunde, um zur Marienkirche zu gelangen. Länger war dann der Weg in den Breiteweg zu St. Jakobi. Die Organisatoren hatten zwischendurch aber für Stärkung gesorgt: in St. Marien gab es Kaffee und Kuchen und am Ende der Wanderung wurde im Garten von St. Jakobi gegrillt. Nach den drei Konzerten hörte mal viel Zustimmung und den Wunsch, im nächsten Jahr wieder solch eine Veranstaltung durchzuführen. 

Wieland Meinhold führt in der St.-Marien-Kirche
Schönebeck durch das Programm.
Am Spieltisch der Nußbrücker-Orgel
der St.-Marien-Kirche
Einführung in den letzten Teil der Orgelwanderung.
Am Spieltisch der Rühlmann-Orgel
der St.-Johannis-Kirche